DER VERWUNDBARE . Der Künstler Leo Tichat (1930-2012)
Ein Nachruf. - © G.G. von Bülow, Berlin
Leopold, nein: LEO. Tichatschek, nein: TICHAT. Offiziell aber - MAGISTER Leo Tichat: Maler, Grafiker, Bühnenbildner, Schriftsteller, Drehbuchautor, Regisseur, Darsteller, Batikkünstler, Uhrendesigner, Gastronom seines eigenen Künstlerlokals "LEO", ja, was machte der Österreicher mit den vielen Talenten eigentlich nicht? Dieser aus dem Mödlinger Fels geschlagene Allroundkünstler, geboren am 3l. August 1930 in Mödling, ist am 15. März 2012 auf der Sonneninsel Djerba nach längerem Leiden gestorben. Wobei es sich für Leo Tichat als Glück erweisen sollte, hier in der Sonne, die er so sehr liebte, seine letzten Jahre genießen zu dürfen - dank der liebevollen wie unerlässlichen Unterstützung seines getreuen Lebensgefährten Peter Strobl, seit 1964 an seiner Seite.
Um der in so vielen Facetten schillernden Künstlerpersönlichkeit eines Leo Tichat gerecht zu werden, müssten viele Kapitel seines Buches aufgeschlagen werden. Zum Beispiel die Seite: "Mein lieber Sandkastenfreund". Hier finden wir die seit frühesten Tagen befreundeten Mödlinger Knaben Herbert und Leo, die spätestens seit 1950 mit ihrem ersten gemeinsamen Film "Kinder spielen Soldaten" (angekauft vom Museum of Modern Art, N,.Y.) sich als Filmemacher einen Namen machten: Herbert Vesely (1931-2002) als Regisseur/ Drehbuchautor und Leo Tichat, der an fast allen Vesely-Filmen als Co-Autor ebenfalls für Buch wie auch für Ausstattung verantwortlich zeichnete. Erinnert werden soll nur an die Böll-Verfilmung "Das Brot der frühen Jahre" (1961); an Handkes "Der kurze Brief zum langen Abschied" (1976) oder an den Schiele-Film "Exzess und Bestrafung" (1978). Seinen letzten internationalen Erfolg feierte Tichat 1991 mit dem Hugh-Grant-Film "Nighttrain to Venice", zu dem er das Drehbuch geschrieben hatte. Doch oft genug mußte Leo Tichat auch mit der Enttäuschung leben, dass sein Name im Filmtitel gar nicht erwähnt und er dadurch wie ein Ghostwriter zum Nobody wurde. Zum Beispiel bei dem mit Herbert Vesely gemeinsam entwickelten und geschriebenen Treatment zum Klimt-Film, mit dem sie sich seit 1998/99 auseinandersetzten. Als dieser "Klimt" (mit John Malkovich in der Titelrolle) dann 2006 ins Kino kam, lange nach Veselys Tod, hieß es im Abspann nur "Nach einer Idee von Herbert Vesely". Von Leo Tichat kein Wort...
Umso beglückender die späte Genugtuung, als Leo Tichats eigner und einziger Spielfilm "Die Verwundbaren", 1963, (Regie/Buch/Darsteller: Leo Tichat), der auch die Homosexualität aufgreift, nach internationalem Erfolg, aber Verbot in Österreich dann anlässlich der Viennale 2006 als Klassiker in den erlauchten Kreis der 50 besten österreichischen Filme vom Filmarchiv Austria aufgenommen worden ist.
Leo Tichat, der sich einst als eigenständiger Maler und Grafiker in internationalen Ausstellungen profilierte und als Designer, Bühnen- und Kostümbildner wie als Filmemacher erfolgreich war, setzte sich immer mehr mit Literatur auseinander, schrieb Lyrik, Kurzprosa und Romane und verstand sich nur noch als Schriftsteller. Bis zuletzt beschäftigte ihn sein mehrere hundert Seiten umfassendes "Hermes"-Thema, an dem er seit Jahren gearbeitet hatte, mehrfach "endgültig" abgeschlossen - "falls mir nicht doch noch was einfallt"...
2010 ließ es sich seine Vaterstadt Mödling nicht nehmen, ihrem kreativen Sohn Leo Tichat anlässlich seines 80. Geburtstages die "Ehrennadel der Stadt Mödling in Gold" zu verleihen.
Jetzt ruht er auf Djerba. Für immer.
Zum Abschied sagen wir leise: Servus...
(Mehr über Leo Tichat bei Google)
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