G.G. von Bülow
Schriftstellerin / Writer

"Franz Schulz zum 100. Geburtstag"

© G.G. von Bülow

(Ansprache der Autorin zur Präsentation ihrer Biographie "Franz Schulz. Ein Autor zwischen Prag und Hollywood"; Vitalis, Prag 1997; während der Berlinale im Berlinale-Kino Astor am Kurfürstendamm, am 21.02.1997 um l5.30 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! 
Ein paar Worte nur...
Ja, ich kannte ihn - Franz Spencer, der am 22. März 1897 in Prag als Franz Schulz geboren wurde, an dessen Wiege drei Paten - sozusagen als Wasserzeichen seines Lebens - standen: die jüdische Abkunft; die deutsche Sprache; und ein unermüdlicher Pegasus, der den Prager Söhnen die literarische Weihe versprach...
Bruder Voltaires! - nennt ihn Wolfgang Jacobsen höchst respektvoll.
Den "Hosen-Schulz" nannte ihn die Berliner Kritik salopp nach seinem Erfolgsfilm "Die Hose", 1927, von dem Willy Haas schwärmte: "Ein Champagner-Film, extra dry..." Und Billy Wilder, dem Schulz als etablierter Drehbuchautor Ende der zwanziger Jahre die Brust gab, Billie, der "Neger", hält seinen damaligen Herrn und Meister für den "tüchtigsten und geizigsten Menschen", den er je kennengelernt hätte. So überliefert von Hellmuth Karasek. Und der war es auch, der mir zurief: "Sie kannten Schulz - ja, warum schreiben denn nicht Sie die Biographie von dem Schulz?!"
Ein schöner Floh, den er mir da ins Ohr gesetzt hatte. Und mit dem lief ich verwirrt und hilfesuchend zur Kinemathek. Immerhin nach der bewährten Methode: für eine intelligente Frau gibt es keine Probleme... Stehe bei Wolfgang Jacobsen auf der Schwelle, der sich "gerade Schulz auf den Schreibtisch gelegt" hatte, aber offensichtlich das Flehen in meiner Stimme überhörte: "Wollen denn nicht Sie lieber die Biographie schreiben?" Nein, entschied er, Sie kannten ihn, dann sollte das auch Ihr Thema sein... Eine noble Haltung, fand ich. Aber nicht die Lösung, die ich mir gewünscht hätte.
Als ich dann auch noch Gero Ganderts höchst aufschlussreiche Bemerkung vernahm: "In der Filmgeschichtsschreibung muß man den Mut zur Lücke haben" - da stand ich schon mitten in den Lücken. Warum nur bist du nicht Regisseur geworden, Franz Schulz, warum hast du nicht wenigstens bei einem einzigen Film Regie geführt? Die Archive wären voll deines Namens, den ein jeder kennen würde, so dass wir ihn heute mit kakanischem Lob "niedermachen" könnten: "Ach, Sie kennen Schulz! Da haben Sie ja Lücken in Ihrer Unbildung!" Aber so...
"Verdammt kläglich ist die Stellung des Drehbuchautors" - das sagt kein Geringerer als Franz Schulz. 1929! Man könnte es noch immer sagen. Und erst da hat es mich gepackt. Jetzt erst wurde es meine (!) Idee. Wenn ich mit dieser, meiner Biographie also versuche, eine Lanze zu brechen, dann nicht nur für meinen alten Freund Spencer, dann nicht nur für den Exilanten, der nicht in die totale Vergessenheit absinken sollte, dann auch für den Drehbuchautor Franz Schulz. Oder um mit Fontane zu sprechen: Wenn die Geschichte von Toten handelt, die sich nicht mehr wehren können, haben sie umso mehr Anspruch auf Gerechtigkeit...

Geburtstage nahmen in der Familie Schulz in Prag eine zentrale Rolle ein. So war es auch üblich, dem Jubilar schon am Vorabend die Geschenke zu überreichen. Aus den erhaltenen Tagebuch-Aufzeichnungen seiner älteren Schwester Lucie - der später bekannten Bauhaus-Fotografin Lucia Moholy - erfahren wir, was "Franzl" zu seinem 10. Geburtstag bekommen hat: eine Hyazinthe, eine Moccatorte, einen Anzug, einen Markenkatalog, ein Paar Glacéhandschuhe (die er dann zeit seines Lebens nie angezogen hat, denn Freund und Feind wurden alles andere als mit Glacéhandschuhen angefasst) und - er bekam: ein Buch! Und so möchte ich heute, sozusagen am Vorabend seines 100. Geburtstages, ebenfalls mit einem Buch an ihn erinnern:
FRANZ SCHULZ. EIN AUTOR ZWISCHEN PRAG UND HOLLYWOOD.
Eine Biographie, soeben aus dem Prager VITALIS VERLAG druckfrisch eingetroffen, eine Hardcover-Ausgabe mit Schutzumschlag, 304 Seiten. Und - um Sie zu beruhigen: die sind nicht alle nur von mir - mit interessanten Fotos und Dokumenten. Und mit dem besten Anfang und dem besten Schluß. Den Anfang macht das Vorwort von Wolfgang Jacobsen, sein "Bruder Voltaires" - den Schluß bildet die allumfassende Filmographie, basierend auf den erarbeiteten Unterlagen von Hans-Michael Bock, die Gabriele Jatho ergänzt, kommentiert und mit Synopsen versehen hat.
In der Reihenfolge ihres ungeordneten Auftritts möchte ich also meinen Dank abstatten an: Hellmuth Karasek; an Wolfgang Jacobsen von der Deutschen Kinemathek Berlin, besonders für seine ständige kooperative Unterstützung (der heute allerdings auch den Mut zur Lücke hat und nicht anwesend sein kann); an Jan-Christopher Horak, Direktor des Filmmuseums München, der bereits 1994 dem Drehbuchautor Franz Schulz eine ganz große Retrospektive widmete; Dank auch Hans-Michael Bock, Hamburg, der - mit mir als Co-Autorin - 1996 Franz Schulz in seinen "CineGraph" aufnahm und seine Basisunterlagen freundlichst zur Verfügung stellte. Dank an Gabriele Jatho, die nach akribischer Recherche eine umfassende Filmographie zusammenstellte, ohne Bocks Leistung zu schmälern..
Dank an meinen Verleger in Prag, Herrn Dr.Salfellner, der den Mut nicht nur zu diesem Buch, sondern heute auch zur Lücke hat und hier fehlt. Dank meiner Lektorin Tanja Krombach, die mir so machen Satz, von dem ich meinte, er würde das Publikum erfreuen, so es ihn denn kennte, sensiblerweise gestrichen hat. Ein ganz besonderer Dank nach London: an den Nachlaßverwalter, Herrn Dr. Friedrich Karsten, der mir nicht nur ein guter Freund und Berater wurde, der vor allem dem VITALIS Verlag finanzielle Unterstützung gab, das Werk zu drucken.
Allen, die dazu beigetragen haben, dass heute zur Berlinale meine Biographie FRANZ SCHULZ präsentiert werden kann, meinen Dank!
Last not least sei auch einem gewissen Jobst von Bülow gedankt, der sich nur noch in quälerischen Selbstgesprächen erging: Um das Herz meiner Frau zu gewinnen, ist man am besten ein Hund, ein Pferd oder tot... Warum heiße ich nicht Spencer, warum nicht Franz Schulz?
Freuen Sie sich nun auf Professor Jan-Christopher Horak.
Ich danke Ihnen!

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